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Blätter in Rostbraun

Betrachtungen über Farben im Alltag

clz. Es gibt Farbtöne, in denen kein kräftiger Gedanke verfangen mag. Auch lösen diese Farbtöne kaum Phantastische Bilder oder heftige Erinnerungen aus. Sie sind einfach zu dumpf, ein bisschen zu schwer, indifferent. Sie erfreuen nicht, verwirren und irritieren nicht einmal. Ich blicke eher über sie hinweg, um flink ein anderes, attraktiveres Merkmal aus dem Kosmos des Alltags ins Auge zu nehmen. Ist das ungerecht? Wem gegenüber? Wer will hier kommen und wägen, gar richten?

Rostbraun langweilt mich auf die ganze Wellenlänge. Mit dieser Farbe kann ich wenig anfangen. Im Herbst legt sie sich in vielfältigen Schattierungen über die Landschaft. Sie dringt in die Wälder, bekleidet Felder, macht auch nicht halt vor den Toren des Parks in der Stadt. Das Rostbraun nistet sich selbstverständlich auch am See- und Flussufer ein. Überall sind es die Blätter, mit denen es nun zu Ende geht. Nur wenn nochmals ein kräftiger Sonnenstrahl ein rostbraunes Blatt aufhellt, es ins Hellbraune führt, vielleicht sogar fast ins Gelbliche, ist ein Ruck spürbar. Ich mache einmal einen Schritt auf diese Farbe zu. Ist diese Farbe wirklich so unangenehm wie mancher Geruch in der Stadt? Kann man eine Farbe einfach verwerfen, nur weil sie keine Farbe des Frühlings ist?

Der Betrachter bückt sich, hebt das Blatt und staunt. Er muss sich eingestehen: Das Blatt lebt ja noch, es ist ja doch noch kraftvoll. Es ist gar nicht tot. Und schon kommt ihm das Rot in den Sinn. Der Betrachter gewinnt den Eindruck, als sei hier gleichsam ein Rot alt und etwas müde geworden, ja als habe das Blatt für den eigenen Schlaf ein anderes Farbkleid überzogen, eben das Rostbraun. Der Betrachter wendet das Blatt und sieht: Es ist verwelkt. Bald wird sich das rostbraune Blatt abermals wandeln, sich Richtung dunkelbraun verfärben. Um das Rostbraun kreisen bereits andere Farben.

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